Gwala: Gordon Clark & Imraan Christian

1 Oktober - 7 November 2020 Berlin

Verlängert bis 7. November

 


 

Anlässlich des diesjährigen European Month of Photography (EMOP), präsentiert
ARTCO Berlin neben der Ausstellung ROGER THE RAT mit neuen Arbeiten von Roger Ballen, eine weitere Werkschau mit Fotografien zweier weiterer Künstler Südafrikas.

Unter dem Titel GWALA zeigen wir im Projektraum Salon Wellenmaschine in Kreuzberg ausgewählte Fotografien von Gordon Clark und Imraan Christian. „Gwala“ ist ein Slangwort des „Afrikaaps“, einer Abwandlung des Afrikaans, das in den Cape Flats von den dort lebenden Menschen gesprochen wird. Die Bedeutung des Begriffs GWALA steht für den Stolz auf die eigene Herkunft und Identität.  Beiden Fotografen geht es in ihrer künstlerischen Arbeit um die Dokumentation von Identität, Realität und Fiktion der „societies of the colored people“
in den Flats am Western Cape.

Imraan Christian, Jahrgang 1992 geboren in Kapstadt, ist ein junger Fotograf und Filmemacher. Der Künstler und engagierter Aktivist bezeichnet sich selbst als  „son of the soil“. In den letzten Jahren hat er neben seinen eigenen Werkserien in Projekten u.a. mit UNICEF, CNN und der BBC zusammengearbeitet. Internationale Bekanntheit hat Christian mit seiner Dokumentation der Studentenunruhen in Südafrika in den Jahren 2015/2016 erlangt. In der Ausstellung GWALA sind erstmalig Arbeiten aus seiner neuen Serie „Ma se Kinders“ zu sehen. Der Titel ist nach einem umgangssprachlichen Begriff der Zärtlichkeit benannt, der "Mutters Kinder" bedeutet. Es geht in diesem Werkzyklus um das Aufwachsen farbiger Südafrikaner, um den Zusammenhalt in ihren Familien, den Freundeskreisen, den Gangs.  Die Kulisse ist das Fischerdorf Hangberg in der Nähe von Kapstadt. Ein Ort, zu dem Imraan eine besondere Beziehung hat.  „Dieser Ort ist für mich symbolisch. Er steht für eine Gemeinschaft von Menschen, die sich als indigene Gruppe identifizieren, und in einer außergewöhnlich schönen Landschaft mit Meerblick leben.“ Dort herrschen Selbstbewusstsein und ein großer Wille Widerstand gegen jede Art von Diskriminierung und Rassismus zu leisten. 
Unter der Apartheid war das idyllisch gelegene Hangberg nach den Gesetzen des „Group Areas Act“ ein farbiges Wohngebiet, was dazu führte, dass nichtweiße Menschen massenhaft aus ihren Häusern in anderen Orten vertrieben wurden, um dort zwangsangesiedelt zu werden. Das Erbe des Unterdrückungssystems trägt bis in die heutige Zeit zu verbreiteter Armut bei, in dessen Folge sich Heranwachsende in Gangs organisieren. Erfolgreiche Gangführer werden als Helden verehrt, Gewalt und Waffen verherrlicht. Die indigenen Gemeinschaften der Cape Flats in Kapstadt haben infolgedessen den Ruf erlangt, nicht nur Hochburgen der organisierten Kriminalität, sondern auch Zentren des Widerstandes zu sein. Gerade Hangberg wurde bekannt für seine politischen Proteste und Unruhen, als Ausdruck des trotzigen Ethos der Menschen dort. „Ma se Kinders“  zeigt jedoch eine andere, von Liebe und Zuneigung geprägte fiktive futuristische Realität der Fürsorge, Hilfsbereitschaft und Solidarität in den Familien, Gruppen und Freundeskreisen.

 


Gordon Clark (* 1955) wurde in Johannesburg geboren und ist ein renommierter Fotograf und Regisseur, der internationale Bekanntheit durch seine faszinierenden Porträts von ungewöhnlichen Landschaften und Menschen erlangt hat.
 Die Protagonisten in den künstlerisch inszenierten Fotografien von Clark, sind besondere Individuen, die außerhalb üblicher gesellschaftlicher Normen leben. Hierdurch stellt der Künstler unsere eingefahrenen Sehgewohnheiten und ästhetischen Empfindungen in Frage. In seinen bildgewaltigen Kompositionen verwebt Clark komplexe Erzählungen, indem er Themen in choreografierte natürliche Umgebungen einfügt, die den Betrachter dazu zwingen, die verschiedenen Dilemmata zu interpretieren, die im Leben jedes Menschen eine Rolle spielen. Im Mittelpunkt seiner Serie The Outcome steht Turner Adams. Gordon Clark lernte Tuner Adams bei einem Friedenskongress von kriminellen Gangs in Kapstadt durch Ernie Lastig Solomon kennen. Solomon ist ein ehemaliger Gangsterboss, mit dem Clark gerade einen Film über sein Leben in den Cape Flats gedreht hat. Clark war nicht nur beeindruckt von Turners körperlicher Erscheinung, seinem tätowierten Gesicht und Körper sondern auch von seiner Offenheit, seine Lebensgeschichte, insbesondere die seiner bewegten Kindheit, mit dem Fotografen zu teilen. Turner wurde in einem Bereich von Kapstadt geboren, der als District Six bekannt ist, einem Stadtteil am Fuße des Tafelbergs. Während der Apartheid-Ära wurde dessen gewachsenen Struktur durch erzwungene Umsiedlung vernichtet, was zu einer Zerstörung der sozialen Beziehungen der Menschen dort führte. Turners Nachbarschaft, seine Freunde und Mitglieder der Familie wurden gewaltsam aus dem District Six vertrieben und auf verschiedene Orte verteilt - einige seiner Freunde hat Tuner nie wiedergesehen. Dieses frühe Trauma hatte große Auswirkungen auf sein Leben. So wurde hierdurch seine Karriere als Gangster begründet, die in langen Gefängnisstrafen endete. Als Gordon Clark 2012 Turner kennenlernte, trat er nach insgesamt 24 Jahren Haft wieder in die Gesellschaft ein. Clark erinnert sich: „Im Gespräch erwähnte ich, dass ich daran interessiert sein würde, mit ihm zusammenzuarbeiten und Bilder über sein Leben zu machen. Diese Idee stieß bei ihm auf große Begeisterung. “ So geben die uns die beindruckend arrangierten Fotografien nicht nur einen Einblick in die uns so fremde Lebensrealität in den Cape Flats, sondern eröffnen dem Betrachter auch einen Zugang in die Gefühls– und Gedankenwelt eines Menschen wie Turner Adams.