Walking in the High Grass: Tom Solty

18 August - 3 September 2022 Berlin

Virtual Tour

 

Flüchtige Blicke aus einem fahrenden Auto, aus der Luke eines Flugzeuges auf die sich dem Auge darbietende Landschaft, flüchtige Augenblicke einer scheinbaren Idylle, eines Glücksgefühls festgehalten mit einer Handy-Kamera. Doch diese scheinbare Idylle der vor dem Fenster liegenden Landschaft steht in krassem Gegensatz zu der unmittelbaren Umgebung des Betrachters, der in dem Auto oder Flugzeug eingesperrt zu sein scheint. Eine wunderschöne Metapher für die Zerrissenheit des Menschen zwischen der Natur draußen vor der Tür die, wie in der Zeit der Romantik, idealisiert wird und der Realität des Menschen, der nur noch schnell daran vorbeirauscht, ohne sie wirklich wahrzunehmen.

 

Die Kunstgeschichte lehrt uns, dass der Blick aus dem Fenster immer wieder als Mittel zur Darstellung der Trennung zwischen einem Innen und einem Außen, zwischen Wirklichkeit und Illusion oder zwischen realer und virtueller Welt herangezogen wurde. So auch hier.

Tom Soltys fotorealistischen Gemälde legen Zeugnis ab von der aktuellen Lebenswirklichkeit: unterwegs sein, die Welt nur noch oberflächlich und aus der Distanz erlebend, aber dennoch Teil von ihr sein.

Gepaart werden diese Bilder mit den dystopischen Stillleben von Objekten aller Art, die jedoch im Wirbel der wild flatternden, um ihr Überleben kämpfenden Insekten in den Hintergrund treten bis hin zur fast völligen Auflösung. Das Flattern und Summen der Insekten, die überlebensgroß und mit unglaublicher Detailtreue die Bildfläche bevölkern, ist fast spürbar und zerstört die vermeintliche Ruhe und Ordnung eines sorgfältig arrangierten Innenraumes.

 

Dann Stille. Die Stiefel und das Gras...

 

Walking in the High Grass beschreibt einen aktuellen Zustand im Geiste, versucht das, was um uns herum geschieht, festzuhalten und gleichzeitig kritisch zu hinterfragen: Die Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen einer gewissen Doppelmoral und einer klaren Haltung. Ängste und Zweifel in Bezug auf den Menschen und den Umgang miteinander wurden nicht etwa durch Krieg, Krankheiten oder Eingriffe in die Natur verstärkt, sondern durch den Überfluss an Informationen, Eindrücken und Meinungen, die einen Zustand der Verstörung auslösen.

 

Walking in the High Grass fungiert somit als persönlicher Rückzugsort. Eine Utopie, die Lebendigkeit suggeriert.

 

Walking in the High Grass beschreibt eine gewisse Ohnmacht. Parallelen zur Romantik drängen sich auf. Goethe ’s Faust als forschender, gleichwohl zweifelnder, beizeiten zaudernder Charakter, den – wie den Maler selbst auch – die Frage umtreibt, was die Welt im Innersten zusammenhält.

 

Marie-Thérèse Huppertz